Materialien - Die Vier Schätze
Bereits seit Beginn des ersten Jahrtausends v. Chr. ist in China der Pinsel als Schreibwerkzeug bekannt. Der chinesische Literat, der im traditionellen Sinn auch Dichter und Illustrator ist, greift also auf ein Malutensil zurück, dass in langjähriger Tradition handwerklich vervollkommnet werden konnte. Die Kunst der Herstellung der "Vier Schätze des Studierzimmers" erreichte einen Höhepunkt in der Tang-Zeit (618-907) und in der Song-Zeit (960-1279)
Der chinesische Pinsel unterscheidet sich nicht nur optisch von den westlichen Aquarellpinseln. Er wird aus ausgewählten feinen Tierhaaren gefertigt. Der nasse Pinselkopf zieht sich zu einer feinen Spitze zusammen. So lassen sich in einem Strich, unterschiedlichste Breiten erzeugen, vom zarten Strich bis zur fetten tiefgesättigten Linie. Der typisch chinesische Duktus erklärt sich auch durch diesen Umstand.
In der Regel nutzt der chinesische Maler auch bei einfarbigen Werken mehrere verschiedene Pinsel, um deren besondere Eigenschaften zu nutzen. Bei farbigen Malereien wird für jede Farbe mindestens ein Pinsel benutzt.
Die Ziegenhaarpinsel sind weich und biegsam. Sie nehmen viel Tusche auf. Das Kaninchenhaar zieht besonders gut klare und intensive Linien. Wieselhaar gilt als Ideal für feinste Ausarbeitungen. Die Kombination verschiedener Haarsorten im Kern und im Mantel des Pinselkopfes vereint die unterschiedlichen Vorzüge der verwendeten Haarsorten.
Der Künstler findet seinen bevorzugten Pinsel durch Probieren. Er bewahrt ihn stehend im Pinseltopf (Porzellan, Rotholz oder Bambus) oder hängend am Pinselständer auf. Nach Gebrauch wird der Pinsel sorgfältig ausgewaschen, wobei die Spitze noch einmal in Form gebracht wird. Mit der Zunge wird häufig das letzte Haarende gespitzt, da die Finger fettig sein könnten. So bleibt die Qualität lange erhalten.
Die Chronik der Han-Dynastie beschreibt das Papier als eine chinesische Erfindung ca. 100 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Im Verlauf der folgenden tausend Jahre findet diese Errungenschaft ihren Weg über die islamischen Länder und Nordafrika nach Europa, wo sie Papyrus und Pergament ablöst.
In China verdrängt das Papier die bis dahin gebräuchlichen Malgründe wie Seide oder feingewebte Leinwand, denn es ermöglicht eine detailreichere Strichführung und ist haltbarer als Seide.
Das Papier wird aus unterschiedlichen Fasern, mit oder ohne Leim hergestellt. Die verschiedene Zusammensetzung der Papiere verleiht ihnen jeweils besondere Eigenschaften. Xuan Zhi ist das begehrteste Papier für die Tuschmalerei und Kalligrafie. Es besitzt eine angenehme Oberfläche und die ideale Saugfähigkeit für die asiatischen Tuschetechniken - ein weiteres Beispiel für eine gelungene Ergänzung von Kunst und Kunstmaterialien.
Entlang der chinesischen Mauer wurden Dokumente gefunden, die vor unserer Zeitrechnung datiert sind, geschrieben mit Pinsel und Tusche. Schon sehr früh hatten die Chinesen also Tusche als Schreib- und Malmittel in Gebrauch. Und wie alle Utensilien des Alltags, die in China geschätzt und verehrt wurden, brachte man auch die Tusche zu höchster Qualität und Vollkommenheit.
Abhandlungen über die Kalligrafie und die klassischen Malutensilien nennen viele hundert Meister und Werkstätten der Tuscheherstellung. Dem gegenüber stehen nur wenige bekannte Bildhauer, denn in der literaturgeprägten chinesischen Kultur sah man die Skulptur eher als Handwerk. Die Herstellung der Tusche galt geradezu als Teil des hochverehrten Kunstwerks und brachte höchstes Ansehen.
Die chinesische Tusche wird nach klassischem Rezept (Es sind Rezepte sind aus dem 5. Jahrhundert bekannt) hauptsächlich aus dem Ruß von Kienharz (seit der Ming-Zeit auch aus Lampenruß) und Leim angemengt. Beste Qualitäten erhalten einen parfümierenden Zusatz von z. B. Moschus oder Gewürznelken. Die lange bearbeiteten Teige werden in Holzformen gepresst und zum Reifen gelagert.
Schon sehr früh erlangte die Tusche eine geradezu kultische Bedeutung als das wichtigste Material der Schreibkunst. Sie wurden dementsprechend mit Darstellungen aus Legenden oder mit magischen Schriftzeichen verziert. Die Inschrift zeigt außerdem das Firmenzeichen, den Namen des Herstellers und das Datum. Besonders in der Song-Zeit (960-1279) wurden sie von Literaten als Sammelobjekte geschätzt, gehortet und vererbt.
Der Künstler wählt seine Tuschen mit großer Sorgfalt und weiß höchste Qualität zu schätzen. Beste Tusche ist feinkörnig, fest und sollte nicht kleben. So erzeugt sie beim Anrühren auf einem guten Reibstein ein gleichmäßigen Ton ohne Trübungen. Alle Schattierungen des Tons gelingen dann durch das Beimischen von Wasser im Porzellanschälchen.
Der Tuschereibstein ist ein Werkzeug, dass den Künstler lange begleitet und entscheidend Einfluß nimmt auf die Qualität der Tusche. Die optimale Oberfläche ist sehr fein und konkav, um die Tusche in einer kleinen Wasserpfütze anzureiben und die gewünschte Intensität der Tuschelösung zu erzeugen.
Die Meister der Reibsteinherstellung verarbeiten besondere und ausgewählte Steine, um sie in langwieriger Arbeit technisch wie künstlerisch zu veredeln.
Aufwendig graviert und verziert mit Gedichten, Motiven aus Legenden und dem Namen eines ruhmreichen Herstellers werden Sie zu begehrten Sammlerobjekten.
Die wertvollen Reibsteine werden in maßgefertigten Holzschatullen aufbewahrt und von Generation zu Generation weitergereicht.
Die Farbe wurde ursprünglich nicht zu den "Vier Schätzen des Studierzimmers" gezählt, weil die Literaten, die auch diesen Begriff prägten, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vorzugsweise einfarbige Tuschbilder schufen - das sogenannte "Literaten-Tuschespiel". Die Berufsmaler kannten diese Einschränkung nicht. Literaten, die sich ganz der Malerei widmeten, benutzten in der Regel auch bald die Farbe. Die wichtigsten Farben waren Rotangrot (teng huang), Karmin (zhusha), Indigo (huaqing), Azuritblau, (shiqing), Malachitgrün (shilu), Bleiweiß (qianfen), Umbra (zeshi) und Mineralgelb (shihuang). Aus dieser Farbpalette wurde kaum gemischt. Nur ein Grünton (caolu) aus Indigo und dem Rotangrot (das eher nahe an gelb ist) und ein dunkles Braun (zhemo) aus Umbra und schwarzer Tusche. Diese reduzierte Anzahl von Farben prägte über Jahrhunderte die chinesische Landschaftsmalerei. Das Ideal einer harmonischen Umwelt war das Thema der Betrachtung, nicht die naturalistische Darstellung im westlichen Sinn.
Ein besonderes Farb- und Gestaltungselement ist immer wieder der Stempelaufdruck mit seiner kräftig roten, glückverheißenden Farbe. Der Künstler gibt nicht nur Aufschluß über seine Person. Oft dokumentiert er auch seine innere Verfassung oder seine Wünsche an den Empfänger. Dieser Aufdruck ist ein fester und wichtiger Bestandteil der Komposition, besonders in der Kalligrafie und monochromen Tuschmalerei. Von berufenen Stempelschnitzern werden ein oder mehrere chinesische Schriftzeichen zu einem neuen Signet verarbeitet. Der gesamte Stempel wird aus Stein gearbeitet und oft reichlich verziert mit bedeutungsvollen Fabelwesen oder symbolischen Motiven.
Auch für die meisten Kaiser der chinesischen Geschichte war das Ausüben der Kalligrafie und Malerei von großer Bedeutung. Sie nutzten dafür selbstverständlich nur feinste Utensilien: Wasser- und Pinseltopf, Misch- und Farbschälchen, Pinselablage und sogar ein Vase - dieses Ensemble aus edlem Porzellan wird heute auch Normalsterblichen als die "Sechs Helfer für den Kaiser" angeboten. Damals gab sich der einfache Künstler mit nicht ganz so fein gearbeiteten Kopien davon zufrieden, den "Sechs Helfern für den Literaten".
Pinselablagen und Pinselständer (zum hängenden Trocknen der gereinigten Pinsel) werden traditionell aus Rotholz gefertigt. Diese, in vielen Arbeitsgängen aufwendig polierten und häufig unter einem Thema gestalteten, Utensilien sind oft selber wertvolle Kunstwerke und belegen das Bild vom Geben und Nehmen zwischen Kunsthandwerk und Kunst.
Die Faszination für die chinesischen Künste, die auch in Europa immer mehr Anhänger findet, lebt von dem immer spürbaren Wechselspiel von hell und dunkel, großzügig und fein, schlicht und aufwendig - von Einfachheit und Perfektion.
Die Herstellung
Die Chefin unseres Herstellers produziert seit über dreißig Jahren Kalligrafie- und Malpinsel. Sie lässt es sich nicht nehmen, alle Haare beim Einkauf selbst und in aller Ruhe auszusuchen. Auch, wenn dabei schon mal ein, zwei Tage ins Land gehen und sie in ihrer Tochter eigentlich schon längst jemanden hätte, der ihr diese Arbeit abnehmen könnte.
Die Long Bao Schule bietet Pinsel in unterschiedlichen Grössen mit: Ziegenhaaren, Ziegenbärten (die unvermeidlich und andauernd nach ihrem ehemaligen Träger duften, aber sehr interessant für die künstlerische Arbeit sind), Pferdehaaren, Marder- und Marderschweifhaaren, Hasenhaar, Mausehaar, Schweinehaar (ist in einigen Pinseln mitenthalten, um zu stabilisieren,ist aber ohne Extraangabe), Schweifhaare der chinesischen Bergkatze und chinesisches Schopfhaar. Traditionell wird in China aus den ersten Haaren eines Säuglings ein kleiner Pinsel gemacht, der dem Kind später übergeben wird. Bei den Haaren unserer "Drachenkrone" handelt es sich um Kinderhaar, das bei den Frisören eingekauft wird.
Die verschiedenen Haare werden sortiert, gewaschen und nochmal sortiert und dann aus der Wasserschüssel heraus aufgenommen und auf einer Art Knochenkamm gelegt , eingeteilt, geschnitten und zum Pinselkopf geformt. Diese Arbeit erfordert Geschicklichkeit und viel Wissen über die unterschiedlichen Pinsel.
An anderer Stelle werden die Stiele vorbereitet. Die winzigen Aufschriften müssen hineingraviert und der Naturleim zum Einsetzen der Pinselköpfe in die Stiele angerührt werden.
Ist der Pinsel dann komplett, werden überflüssige Haare herausgezupft und geschüttelt. Für den weiteren Transport wird zum Schutz der Haare eine Leimtauchung vorgenommen, die aber einfach auszuwaschen ist. Um die "Xuan Bi" für lange Wege zu präparieren und gegen Feuchtigkeit und Fäulnis unempfindlich zu machen, werden kleine, fürchterlich riechende Papiersäckchen beigelegt. Das ist nicht angenehm, aber notwendig.
Jede Haarsorte hat ihre Eigenheiten und ist nicht durch eine andere zu ersetzen. Jeder Pinsel hat seinen eigenen Charakter, wie auch die einzelnen Träger der Haare eigenständige Lebewesen sind und waren. Die Achtung vor diesen Charakteren sollte in unser künstlerisches Schaffen mit einfliessen.
Das Reisstroh wird zum Bleichen auf den Hängen der umliegenden Hügel ausgelegt und so bis zu einem Jahr den Winden und Wettern ausgesetzt. Danach wird es erhitzt, um anschliessend noch eine Weile im Wasserbad zu verbringen. Erst dann erfüllt es die Bedingungen, die an einen Grundstoff des "Xuan Zhi"gestellt werden.
Sandelholz- oder Weissrinde gilt als äusserst wertvoll; der Abbau wird streng kontrolliert. Zum Bleichen der Rindenfasern werden einige chemische Zusätze genutzt. Je höher der Anteil an Sandelholz in einem Papier ist, desto elastischer ist es.
Die Fasern des Papiermaulbeerbaumes sind sehr lang und sehr fest. Dünne Papiere von hoher Stabilität können daraus hergestellt werden. In unseren Faserpapieren zeigt sich dieser Rohstoff in verschiedenen Stärken.
Nachdem die verschiedenen Grundstoffe vorbereitet und zerkleinert sind werden sie unter Zugabe von etwas Leim und eventuell Farbe und Wasser aus dem angrenzenden Fluß zu einer Papiergrundmasse vermengt. (Tatsächlich gibt es in diesem Gebiet sogar eine provinzeigene Suppenberühmtheit, die den Namen dieser Grundmasse trägt, aber mit Sicherheit viel besser schmeckt!).
Jetzt kommt der eigentliche Schöpfvorgang. Ein bis acht Mann senken und schwenken das Sieb in der Bütte. Man muss sich mal vorstellen, dass selbst Papiergrössen von 193 x 500 cm noch handgeschöpft sind! Das macht diese Papiere wirklich Stück für Stück einzigartig und kostbar.
Die geschöpften Bögen werden Blatt auf Blatt abgegautscht und gepresst. Anschliessend müssen sie einzeln oder in Blöcken an riesigen, heissen Stahlplatten trocknen. Ich kann die Arbeiter nur bewundern, wie sie die empfindlichen, grossen Bögen unter extremer Hitzeeinwirkung mit einer Bürste an die Platten anreiben.
Sind die Papiere getrocknet, so werden sie Blatt für Blatt abgezählt, sortiert, gestapelt und beschnitten mit extra dafür entwickelten, breitflächigen Scheren. Was so einfach aussieht, gleicht, will man es selber einmal versuchen, dem Durchreissen eines dicken Telefonbuches mit zwei Händen!
Das Anfertigen der Papiere, auf denen später vielleicht einmal die wunderschönsten Landschaften, Schriften oder andere künstlerische Gedanken ihren Ausdruck finden, ist schwere, komplizierte Arbeit. Die Menschen, die für uns diese Papiere herstellen, zeigen mir bei jedem meiner Besuche soviel Begeisterung und Stolz gegenüber ihrer Arbeit, dass ich eine grosse Achtung vor diesem Handwerk empfinde.
Die Tusche
Der Reibstein
Das Rotholz